OPCAT-Durchführungsgesetz 2012


Seit 1. Juli 2012 überprüft die Volksanwaltschaft (VA) gemeinsam mit den von ihr eingesetzten Kommissionen gemäß dem OPCAT-Durchführungsgesetz 2012 alle öffentlichen und privaten Einrichtungen, in denen Personen angehalten werden oder werden können (Nationaler Präventionsmechanismus).

In Abstimmung mit der VA legen die Kommissionen vierteljährlich ihre Besuchsprogramme fest. Die gemeinsam, unter Berücksichtigung der Vorschläge des Menschenrechtsbeirats, festgelegten Prüfschwerpunkte bestimmen die speziellen Themen der Kontrolle. Die Prüfschwerpunkte werden jedoch so gewählt, dass die Kommissionen auch einrichtungsspezifische und regional begrenzte Themen behandeln können. Aufgrund der hohen Zahl verschiedenartiger Einrichtungen, soll nach wie vor die Gelegenheit für Erstbesuche zur Gewinnung erster atmosphärischer Eindrücke gegeben sein. Mitunter lässt sich erst danach die Notwendigkeit bzw. das Thema für einen weiteren Kontrollbesuch in derselben oder einer ähnlichen Einrichtung bestimmen.
Prüfzeiten auch an Feiertagen und zur Nachtzeit: Die Kommissionen der Volksanwaltschaft haben das Recht, jederzeit Besuche auch unangekündigt durchzuführen. Sie müssen dabei auf die Erfordernisse des Betriebes Rücksicht nehmen und gerade außerhalb von Kernzeiten pflegerische Tätigkeiten weder behindern noch verzögern. Überprüfungen an Feiertagen fanden bislang sehr vereinzelt statt. Dies kann auch künftig zur Erfüllung des Prüfauftrages notwendig sein, weil die Kommissionen die Flexibilität haben müssen, im Dringlichkeitsfall „ad hoc Besuche“ vorzunehmen oder über Ersuchen der VA für diese tätig zu werden, ohne dass dies gegenüber Einrichtungen einer Begründung bedurfte. Nächtliche Besuche in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen gab es österreichweit bislang keine.

Berichte
Alle von den Kommissionen der Volksanwaltschaft besuchten Einrichtungen erhielten bislang auf Wunsch eine Verschriftlichung des Abschlussgespräches mit der Leitung der Einrichtung, in welchem unmittelbar Wahrnehmungen, Feststellungen und Empfehlungen festgehalten wurden. Dies wird dem ausdrücklichen Wunsch der NÖ Landesregierung zukünftig auch ohne spezielle Aufforderung durchgehend und nicht nur hinsichtlich landeseigener Einrichtungen erfolgen.
Können die Empfehlungen und Kritikpunkte vor Ort nicht zur Zufriedenheit der Kommission geklärt werden oder sind Punkte offen geblieben, obliegt das weitere Vorgehen der Volksanwaltschaft.
Diese kann auf Grundlage der bei ihr eingelangten Protokolle daraufhin das übliche Verfahren zur Abgabe einer Stellungnahme einleiten.

Ablauf:
Bericht an den Landeshauptmann, in weiterer Folge wird der Bericht von der zuständigen Abteilung beim Amt der jeweiligen Landesregierung zur Abgabe einer Stellungnahme zugeteilt, die für die Vollziehung zuständig ist. Dabei wird über die bestehenden Aufsichtsinstrumente den überprüften Einrichtungen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Ergebnis der Überprüfung samt Stellungnahme erfolgt wieder durch die zuständige Abteilung des Landes an die Volksanwaltschaft.
Damit ist sichergestellt, dass sich landeseigene und private Einrichtungen zu den von der Volkanwaltschaft im Prüfverfahren konkretisierten Bedenken und Anregungen im Zuge aufsichtsbehördlicher Verfahren ausführlich äußern können, was so durch das OPCAT-Durchführungsgesetz beabsichtigt wird.
Auf der Grundlage, der von den Kommissionen getroffenen Feststellungen, menschenrechtlichen Beurteilungen und Vorschlägen erfolgt eine weitere, vertiefende Prüfung durch die VA. Sowohl bei Systemfragen als auch einrichtungsspezifischen Mängeln werden die zuständigen Ministerien bzw. Aufsichtsbehörden befasst. Insbesondere bei ersteren wird seitens der VA der Menschenrechtsbeirat mit den in Aussicht genommenen Veranlassungen beauftragt. Dessen gutachtliche Äußerungen fließen in die endgültigen Beurteilungen der VA ein.

Die sechs Kommissionen haben im Berichtsjahr 2013 insgesamt 465 Kontrollbesuche in Einrichtungen durchgeführt, davon 106 in Altenpflegeeinrichtungen. 

Wien

Bgld.

Sbg.

Kärnten

Stmk.

Vbg.

Tirol

Gesamt

22

9

20

7

4

9

15

9

11

106

 
Prüfschwerpunkte und übergreifende Feststellungen
In Alten- und Pflegeheimen stießen die Kommissionen auf strukturelle Probleme wie Fehlbelegungen, inadäquate Arzneimitteltherapien und Defizite bei der Vollziehung des HeimAufG. Diese Themen werden von der VA auch 2014 zum Gegenstand vertiefter Problemdarstellung an Bund und Länder gemacht werden.

Bereits im Parlamentsbericht 2012 wurde das Problem der Unterbringung jüngerer, psychisch kranker und/oder mehrfach behinderter Menschen in Geriatriezentren und Alten- und Pflegeheimen behandelt. Auch in diesem Berichtsjahr waren die Kommissionen mehrmals mit diesem Problem konfrontiert

Auffällig ist, dass es in den Einrichtungen sehr unterschiedliche Konzepte und Kulturen gibt. Bei vielen Kontrollbesuchen stellten die Kommissionen ein hohes Engagement beim Pflegepersonal und einen wertschätzenden Umgang mit den betagten Menschen fest. In einer Reihe von Besuchsprotokollen wurde auch von einer offenen und guten Atmosphäre berichtet. Die Leitung hat dabei entscheidenden Einfluss darauf, wie achtsam und respektvoll die Pflegeteams mit den Menschen umgehen und in welchem Ausmaß sie in der Lage sind, psychische und physische Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner wahrzunehmen, um auf diese entsprechend einzugehen. Wird die Leitung vom Pflegepersonal in der Führung als qualifiziert und reflektiert erlebt, überträgt sich dies auf den Umgang mit älteren und hochbetagten Menschen. Ist das nicht der Fall, führen Personalfluktuation und häufige Krankenstände des Personals dazu, dass sich Bewohnerinnen und Bewohner nicht gut betreut fühlen. Dies gilt auch dann, wenn das Personal der Überzeugung ist, selbst wenig zum Wohlbefinden der Betreuten beitragen zu können.

Oftmals wurden gegenüber den Kommissionen Ressourcenmängel beklagt. Gerade in Einrichtungen, in denen überdurchschnittlich viele Menschen an psychischen Erkrankungen leiden und/oder viele an Demenz erkrankte Bewohnerinnen und Bewohner leben, wäre nach Ansicht der VA ein begleitender Bedarf an stärkerer psychosozialer Betreuung gegeben.
Jedes Bundesland hat eigene Heimgesetze erlassen und schreibt eigene Personalschlüssel vor. Bereits der Rechnungshof stellte fest, dass durch die fehlende bundeseinheitliche Gesetzgebung stark divergierende Leistungsstandards bestehen. Der Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs, Lebenswelt Heim, spricht sich für eine Schaffung eines einheitlichen Mindest-Pflege-Personalschlüssels aus. Dem schließt sich die Volksanwaltschaft auf Basis ihrer bisherigen Wahrnehmungen an. Zulässig ist beispielsweise, dass nachts nur zwei Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter für 98 Bewohnerinnen und Bewohner Dienst versehen (NÖ). Eine Einrichtung für Demenzerkrankte in Wien ist derart konzipiert und genehmigt, dass in zwei baulich getrennten WGs nur ein ruhender Nachtdienst vorhanden sein muss.

Abschließend möchte die VA die großteils gute Kooperationsbereitschaft der Behörden und Einrichtungsträger betonen, die keinesfalls den Eindruck entstehen ließen, notwendige Maßnahmen und Verbesserungen nicht veranlassen zu wollen.